Hallo Flo! Hallo Sternenkind!
Als Erklärung für unerwartete Früchte fallen mir auf die Schnelle 4 Möglichkeiten ein:
1) Verkreuzung
Also wenn sich deine Tomaten dieses Jahr verkreuzt hätten, würden die Früchte trotzdem noch sortentypisch ausschauen, weil die Früchte stets von der Genetik der Mutterpflanze bestimmt werden, wie das schon XamazoneX und Harald geschrieben haben. Nur die Samen würden (quasi unerkennbar) bereits eine andere Information enthalten – nämlich die der Mutter und die des Vaters.
Das heißt, wenns eine Verkreuzung ist, fand diese bereits im letzten Anbaujahr statt - und du hast jetzt einen Hybrid vor dir, auch F1 (für „erste Nachkommen-Generation“) genannt.
2) Verwechslung / Vermischung
Eine andere Möglichkeit ist, dass es einfach eine andere Sorte ist und sich bei der Saatgutgewinnung / Aufbereitung / Aussaat / Beschriftung irgendwo eine Durchmischung eingeschlichen hat.
3) Aufspaltung
Ansonsten könnte es auch sein, dass Jahre zuvor eine Kreuzung durchgeführt wurde / eine Verkreuzung stattgefunden hat. Nach etlichen Generationen ist dann die Sorte relativ stabil (weil an vielen Genorten reinerbig – siehe Hintergrundinfo unten) aber eben nur relativ – d.h. es kann doch immer wieder der Fall eintreten, dass plötzlich ein Nachkomme sichtbar von den anderen abweicht. Die Wahrscheinlichkeit sinkt aber mit jeder Selbstungsgeneration (siehe unten).
4) Mutation
Eine vierte Möglichkeit wäre eine Mutation – was aber verglichen mit den anderen Möglichkeiten wohl seltener vorkommt.
Zu deiner Frage:
„Nur mal gesetzt den Fall, man würde mit solchen Kreuzungen experimentieren - wann kann man das als "stabil" bezeichnen?“
>ich finde das ist auf alle Fälle ein spannendes, lohnendes Experiment – mit etwas Geduld (und Platz!) kannst du deine eigene Sorte entwickeln
Also wenns eine Verkreuzung war, ist die Diversität/Aufspaltung in der F2 (=2. Nachkommen-Generation) am größten – durch die Selbstbefruchtung in den Folgejahren werden die neu entstandenen Linien mit jedem Anbaujahr stabiler. Mathematisch hätte die F2 einen Heterozygotieanteil von 50%, die F3 von 25%, die F4 von 12,5%, die F5 von 6,25%, usw... d.h. In der F5 (also nach 5 Jahren) wären 93,75% aller Genorte bereits stabil. Vereinzelt wird es dann noch zu sichtbaren Aufspaltungen kommen (das kann zur oben genannten Möglichkeit 3 führen...), aber insgesamt kann man schon von einer ziemlich stabilen Sorte sprechen („stabil“ ist in der Genetik meistens relativ – Pflanzen sind etwas Dynamisches, das ist ja auch das schöne dran und die Grundvoraussetzung für die Sortenvielfalt!
)
Ich freu mich schon auf deinen Bericht und Fotos im nächsten Jahr
Eine Freundin hat dieses Jahr auch eine lustige bunte Fleischtomate in ihrem Garten gefunden, die sie nicht bewusst gesät hat – bei dieser wollen wir auch ein bisschen weiterselektieren – freu mich auf Austausch mit anderen Hobbyzüchter_innen!
@ Sternenkind: bei der Dattelwein hab ich auch die Erfahrung gemacht, dass nicht alle Früchte so schön birnenförmig sind...würd meinen, dass ist für diese Sorte typisch. Was aber schon sein könnte ist, dass es Dattelwein-Herkünfte gibt, die mehr birnenförmige Früchte ansetzen als andere Herkünfte. Woher stammt dein Saatgut? Eine gute Saatgut-Firma würde in diesem Fall wohl auf Birnenförmigkeit selektieren - also Pflanzen mit besonders birnenförmigen Früchten auswählen (das kann man natürlich auch selbst machen - Fachmenschen nennen sowas Erhaltungszucht). Wenn man das nicht macht, kanns schon sein, dass die Früchte über Jahre etwas verrundlichen (weil es zu den oben genannten Fällen 3 und 4 kommen kann - und wenn man jene Einzelpflanzen, die vom "Sortentyp" abweichen, dann nicht aufisst, anstatt Saatgut von ihnen zu gewinnen, nimmt man ungewünschte Eigenschaften in die nächste Generation mit).
Einen schönen Paradeiser-Saison-Ausklang euch allen,
Frantisek
- - - kurze Hintergrundinfo zur Genetik - - -
Da Paradeiser grundsätzlich strenge Selbstbefruchter sind (und Verkreuzungen nur Ausnahmen darstellen) entstehen über Jahre Liniensorten, also Inzuchtlinien - genau das ist der Grund, warum wir alle so einfach Saatgut ernten können und im nächsten Jahr wächst (meistens) die selbe Tomate wieder in unserem Garten. Ein_e Pflanzenzüchter_in würde von einem hohen „Homozygotie-Anteil“ sprechen, das heißt, das (theoretisch) jedes Gen zweimal in der selben Variante vorhanden ist (AA). Diese Linien sind stabil (aus AA kann nur wieder AA werden)
Dein Hybrid ist hingegen „hochgradig heterozygot“ - er hat jeweils eine Genvariante vom Vater und eine von der Mutter (AB). Wenn man von reinen Elternlinien ausgeht, sind alle Nachkommen aus dieser Kreuzung genetisch ident (=uniform), halb Mutter halb Vater.
...aber nicht stabil:
Werden die Samen der F1 im folgenden Jahr wieder ausgesät, bekommt man eine wunderbar bunte Nachkommenschaft, weil nun die Erbanlagen aufspalten (AA, AB, BB – wie das der lustige Mendel-Mönch schon beschrieben hat: im Verhältnis 1:2:1). Das bedeutet, dass in diesem Schritt die Hälfte homozygot wird (entweder AA oder BB) – die andere Hälfte bleibt heterozygot, verringert sich in der nächsten Generation aber wieder um die Hälfte (dadurch kommt, die oben beschriebene Reihe des Heterozygotieanteils zustande: F2 50%, F3 25%, F4 12,5%, F5 6,25%,...F¥ 0%
War das verständlich? Man landet da halt gleich recht tief in der Materie...